Ostpreußenfotos

von Victor Moslehner

Einige Zeit, nachdem ich Brigitte kennenlernte, holte Sie alte Fotos hervor, Fotos aus den Jahren 1933 bis 1944, die ihr Vater, Victor Moslehner, in Ostpreußen aufgenommen hatte. Ich war erstaunt über die vielen gelungenen und wunderschönen Schwarz- Weißfotos. Was mich auch beeindruckte, war das Format (ca. 24x18 cm) der Fotos, die Brigitte mir zeigte.

Brigitte zeigte mir die zugehörigen Negative (6x9), von denen sie frische Abzüge hatte machen lassen. Leider haben auch die Negative auf der Flucht und beim Verstecken vor der Besatzung ihre Kratzer abbekommen.

Die Schönheit der Bilder, die von Brigittes künstlerisch geradezu begnadeten Vater aufgenommen wurden, die eigenartige Dünenlandschaft und ein wehmütiges Mitgefühl für meine liebe Brigitte und alle Menschen, die diese wunderbare Heimat für immer verloren haben, sowie die neuartige Möglichkeit der Dokumentation von Vergangenem, haben eine Leidenschaft für diese Fotografien in mir geweckt, die dazu führen sollte, daß diese Fotos, nun aller Welt zugänglich, hier im Internet zu betrachten sind.

Doch wie kommen diese alten Fotos ins Internet?

Zunächst gilt es, die Fotos in qualitativ hochwertiger Auflösung zu digitalisieren:

Die Fotos wurden Bild für Bild von neuen Abzügen mit einem guten Scanner in einer Auflösung von 600 Punkten/Zoll eingescannt. Dies ergibt digitalisierte Bilder mit jeweils ca. 3000x4000 Bildpunkten, ausreichend, um hochqualitative Abzüge bis zu einer Größe von 50x75 cm (Posterformat) in einem entsprechenden Fotolabor herstellen zu lassen.

BrigittDie selbst entwickelte Vergrößerungsapparatur im Fotolabor von Victor Moslehneres Vater hatte noch ein eigenes Fotolabor. Er vergrößerte und entwickelte die Fotos selbst, immerhin bis zu einer Größe von 30x40 cm, die er schon zu Zeiten in Königsberg über den Fachhandel verkaufte.  Auch in seiner neuen Heimat  im Westerwald stellte er Abzüge her und verkaufte weiterhin die schönen Fotos, bis er aus Platzgründen in der neuen Wohnung in Frankfurt diese Beschäftigung aufgeben mußte.

Brigitte erzählte mir, wie sie oft ihrem Vater bei seiner Arbeit im Fotolabor zugeschaut hatte und half, wie er mit Geschick die Kratzer behob (man mußte mit einem Retuschierstift auf dem Negativ die Kratzer neutralisieren), und wie er mit fotografischem Verstand die Kontraste der Fotografien durch entsprechende Belichtungszeiten oder Teilabdeckungen beim Belichten eindrucksvoll hervorhob. Schon oft sagte sie: "Hätte er doch nur erleben können, wie das heutzutage funktioniert":

Nachdem die digitalisierten Fotos im Rechner gespeichert sind, wird mit Hilfe einer Grafiksoftware im Prinzip das gleiche gemacht, wie es die Fotografen seinerzeit auch taten. Man muß dabei berücksichtigen, daß die Fotografie vor 50 Jahren und die Entwicklung der Fotos im eigenen Fotolabor bei weitem nicht mit dem vergleichbar ist, wie heute jedermann Fotos erzeugen kann. Auch die Negative litten im Laufe der Zeit, besonders wenn sie Kriegswirren, Flucht und Vertreibung überstehen mußten. So war die Retuschierarbeit ein Muß, um Kratzer und Entwicklerflecken soweit wie möglich zu entfernen.

Diese Arbeit bleibt auch mir nicht erspart. Es gibt zwar Rechnerprogramme, die Staub und Kratzer in einem Gang auf dem Foto entfernen, doch geht damit auch ein Teil der Bildinformation verloren, und das Ergebnis ist von minderer Qualität. So arbeite ich an jedem Bild am Computer wie ein Restaurator. Schrämmchen und Schrammen, Pünktchen und Flecken werden Stück für Stück bearbeitet: die richtige Pinselgröße einstellen, die passende Farbe (bzw. Graustufung) auswählen oder aus der Bildumgebung kopieren und die fehlerhafte Stelle überdecken, ist die mühsame, sich bis zu zig- mal wiederholende Tätigkeit pro Bild. Ist das Bild ‚gereinigt’ gilt es noch, den optimalen Kontrast, die Helligkeit und die Verteilung der Kontraststärken der Aufnahme herauszufinden und einzustellen. Dazu muß auch der Bildschirm so eingestellt sein, daß er möglichst getreu die Farbgebung widerspiegelt, wie sie später vom Fotolabor auch erzeugt wird. Je nach Bild kann das schon eine Arbeit von ½ Tag bedeuten. Bei einem Bildvorrat von nahezu 700 Bildern eine Aufgabe, die sich sicherlich über Jahre erstrecken wird. Es ist wirklich die gleiche Arbeit wie zu früheren Zeiten – nur alles am Bildschirm und oft mit einem besseren Resultat.

Ist ein Bild fertig, wird ein Probeabzug bestellt. Dazu schicke ich die Bilddatei an ein Digital Photolabor. Stimmen Farben und Qualität, erhalten die Bilddateien eine Namenserweiterung. Der Name eines Bildes besteht dann aus drei Teilen z.B.: BBS05_118_r. Dabei bedeuten BBS05 die Bildbandserie 05, unter der die Negative archiviert sind, 118 die Motivnummer, unter der Victor Moslehner seinerzeit die Fotos angeboten hatte und r, wenn das Bild retuschiert wurde.

All dies bedeutet doch einen erheblichen Aufwand, der aber durch das Ergebnis, Historische Fotos mit hoher Qualität, gerechtfertigt ist.

Hier im Internet sind die Fotos als kleine Abzüge, die sogenannten Thumbnails (auf Deutsch Daumennagel), zu betrachten. Klickt man auf eines dieser kleinen Fotos, dann wird ein größeres Foto dargestellt, das die Details deutlicher wiedergibt.

Zum Schutz vor unerlaubtem Kopieren im Internet sind diese Fotos mit einem Copyright Zeichen versehen.

Doch die Sicht am Bildschirm ist nicht zu vergleichen mit den Abzügen auf echtem Hochglanz-Fotopapier bis zu einem Format von 50x75cm.

Reiner Keiffenheim